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Modephilosophie

Was bedeutet Mode als Phänomen der Moderne noch in der Postmoderne?



Jetzt ist die Mode tot. Die letzten Models der Universität der Künste verschwinden hinter der Bühne. Einen Moment zuvor - auf dem Laufsteg - war die Mode, die die Studenten hier gezeigt haben, genau das, was sie immer sein will: Neu. Sobald die Mode vom Laufstieg verschwunden ist, wird sie erneut abfotografiert für die Kataloge, oder irgendwann als Streetware verkauft, und somit zum beliebt-beliebigen Massenprodukt. Man könnte also sagen: Die Mode hat ihre beste Sekunde schon hinter sich. Das Neue der Mode lebt und stirbt auf dem Laufsteg.

Die blass geschminkten Models, die hier auf jegliche Mimik verzichten und wie Zombies über den Laufsteg gleiten, scheinen dieses Morbide einer Modenschau zu transportieren – wenn auch unbeabsichtigt.

Blog Post Image Es hat dadurch etwas Sakrales, aber auch Tragisches, denn bei genauerem Hinsehen ist die Mode nur vermeintlich neu. Das wirklich Neue kann es in der Mode nicht geben, denn sie verweist immer auf das Vergangene. Designer remixen ununterbrochen. Gerade schweben Kreaturen in langen schwarzen Gewändern über den Laufsteg, die an den Zauberer von Oz erinnern. Das Ganze wirkt merkwürdig einschüchternd und bedrückend, was auch daran liegen könnte, dass die Outfits den langen Kaputzengewändern des KuKluxKlan ähneln – nur, dass sie eben schwarz sind statt weiß. Hier auf der Schau 14 der Universität der Künste verschwimmen die Grenzen zwischen Kunst und Streetware. Während einige Models ihre Gesichter hinter glitzernden Paillettenschleiern verstecken oder eine Isomatte auf dem Kopf tragen, präsentieren andere futuristische (Römer) Tuniken, die man auch locker auf der Straße sehen könnte.

Mode ist ein Verweissystem zwischen dem, was war und dem, was sein wird. Sie selbst ist vergänglich. Beständig an ihr ist lediglich, dass sie immer „anders” wird. Walter Benjamin sagte der Mode ihren baldigen Tod voraus, sobald sie ihre Geschwindigkeit nicht aufrechterhalten können wird, mit der sie Altes ersetzt.

Diese Geschwindigkeit der Mode ist der Moderne geschuldet. In vormodernen Zeiten, im Römischen Reich beispielsweise existierte Mode im modernen Sinne nicht, weil es keine Massenproduktion gab. Für Georg Simmel ist die Mode, die wir kennen, nur möglich geworden durch die Massenproduktion der Moderne.

Und zweitens konnte die Mode nur in der Moderne entstehen, weil sie ein neues Vorzeichen bekommen hat. Im Mittelalter dominierte der Gedanke des Ewigen. In der Moderne hingegen wurde das “Nicht-Ewige” und Neue zum treibenden Gedanken. Für den Soziologen Georg Simmel steht die Mode als Sinnbild für die Moderne. Keine Mode ohne Moderne. Keine Moderne ohne Mode.

Schön und gut, könnte man meinen. Das Problem ist nur: Auch die Moderne ist irgendwann „out“ geworden. Schließlich leben wir in einer Zeit, die gerne als „postmodern” betitelt wird. Das bedeutet laut Jean-Francois Lyotard, dass es keine große Erzählung mehr gibt, also kein Erklärungssystem, wie Gott, die Aufklärung durch die Vernunft oder den Marxismus, sondern viele kleine Erzählungen. In der Postmoderne geht es weniger um Innovation, sondern tendenziell um eine neue Kombination des Alten.
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Das sieht man auch hier auf der Schau der Universität der Künste, wo Models beispielsweise geschwungene Gewänder tragen, in die gerollte weiße Handtücher eingearbeitet sind oder Teile von alten Teppichen in die Jacken genäht wurden.
Ein weiterer postmoderner Zug der Mode offenbart sich an einem anderen Punkt: In der Postmoderne gilt die menschliche Identität als instabil und veränderbar, wie Judith Butler festgestellt hat. Wenn also das biologisch männliche Model Andrej Pejic das pompös-überfrachtete Brautkleid mit dem weißen Federkopfschmuck von Jean Paul Gaultier vor drei Jahren präsentieren durfte, dann ist das zumindest ein Schritt ins Postmoderne.

Pejic im Brautkleid verweist darauf, dass dieses vormals oder „eigentlich” von Frauen getragen wurde. Indem der Designer jemanden in das Brautkleid steckt, der biologisch ein Mann ist, aber wie eine Frau aussieht, verbildlicht er die postmoderne Genderfrage. Mit einem Brautkleid zeigt er, dass der Gegensatz zwischen Mann und Frau nur konstruiert ist - und leicht aufgehoben werden kann.
Das zeigt, dass sich etwas Grundlegendes verändert hat, auch wenn alles beim alten scheint: Models tragen weiterhin Kleidung den Laufsteg auf und ab. Doch die Beleuchtung hat sich verändert. Dadurch erscheint der Laufsteg in einem anderen Licht – und die moderne Mode sieht auf einmal postmodern aus.

Sein & Steit, Deutschlandradio Kultur, 13.07.2014


Fotos ©Corina Lecca